No. 133 – Der Atzventzblitz...

Liebe Interessierte und Betroffene,

überall, wohin man nur schaut, scheinbar „verkehrte Welt“:
- Der Herbst 2022 war lt. Deutscher Wetterdienst der drittwärmste seit Beginn der Messungen, der Zeitraum von Januar bis November 2022 der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
- Ein grüner Wirtschaftsminister feiert den Vertrag über die Lieferung fossiler Brennstoffe mit einer „absoluten Monarchie“, in der die Scharia gilt.
- Gemeinnützige Organisationen wie die Katholische Kirche oder die FIFA verhalten sich nach Einschätzung vieler wohl eher gemein als für die Allgemeinheit nützlich.
- Eine deutsche Staatsanwaltschaft leitet gegen einen Kardinal ein Ermittlungsverfahren wegen falscher eidesstattlicher Versicherung ein.
- Bei einem Weihnachtsmarktbesuch in dieser Woche in Pirna, das bei Ortskundigen mindestens als konservativ, keinesfalls aber als divers gilt, bedient einen der Unterzeichner augenscheinlich ein Mann, allerdings mit rot-glitzernd lackierten künstlichen Fingernägeln…
Diese Umkehrung bekannter Verhältnisse irritiert uns alle. Vielleicht hilft uns bei der Annäherung an diese Abkehr vom Gewohnten ja ein Perspektivwechsel. Der Wirtschaftsminister, die Staatsanwaltschaft und der Mann in Pirna jedenfalls beweisen schon Mut. Das immerhin lässt sich klar feststellen, ganz egal, wie sehr oder wenig wir ihre Motivation teilen oder ablehnen. Wir finden, dass man mutigen Entscheidungen Respekt zollen darf.

„Nichts ist so beständig wie der Wandel.“ Das wusste schon Heraklit im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Wir als diejenigen, die sich laufend mit dem Steuerrecht befassen, haben diesen Grundsatz verinnerlicht. Vielleicht als „Déformation professionelle“. Wohl eher aber als besondere Fähigkeit, uns immer wieder neu mit sich verändernden steuerlichen Rahmenbedingungen zu arrangieren. Und deshalb wundern wir jedenfalls uns über folgende steuerliche Neuigkeiten auch schon gar nicht mehr:

1. Das Bundesfinanzministerium hat eine aktualisierte Liste herausgegeben, in der alle Staaten aufgeführt sind, bei denen ein Vorsteuervergütungsverfahren möglich ist, deren Umsatzsteuer also unter bestimmten Voraussetzungen erstattet werden kann. Das Land, in dem derzeit die Fußballweltmeisterschaft stattfindet, gehört übrigens auch dazu.

2. In verschiedensten Medien wird derzeit Panik geschürt, weil das am 30.11. im Finanzausschuss des Bundestages verabschiedete Jahressteuergesetz 2022 auch nachteilige, weil wert- und damit steuererhöhende Änderungen bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer mit Bezug auf Immobilienübertragungen enthält. In den allermeisten Fällen, nämlich bei Eigentumswohnungen bzw. Ein- und Zweifamilienhäusern in Gegenden, für die sog. Vergleichswerte vorliegen (die Sie in den lokalen Grundstücksmarktberichten finden), besitzen diese Vergleichswerte ohnehin Vorrang. In Einzelfällen können sich u.U. deutliche Werterhöhungen ergeben. Wir raten trotzdem von hektischen, nur steuermotivierten Übertragungen ganz unbedingt ab. Denn: ein Wertgutachten schlägt diese theoretischen Werte immer, auch weiterhin. Und: Grundstückspreise werden angesichts der derzeitigen Zinssteigerungen voraussichtlich in näherer Zukunft eher sinken. Außerdem: Im Zuge der Debatte um diese „Neubewertungen“ werden auch höhere Freibeträge bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer diskutiert.

3. Das Jahressteuergesetz enthält auch eine Reihe günstiger Änderungen, die viele von uns betreffen werden:
- Die Regeln für das häusliche Arbeitszimmer werden tatsächlich vereinfacht.
- Die Homeoffice-Pauschale wird dauerhaft für bis zu 210 Tage p.a. eingeführt.
- Der Sparerfreibetrag wird von 801 auf 1.000 € pro Person erhöht.
- Der Arbeitnehmer-Pauschbetrag wird um sagenhafte 30 € p.a. erhöht.
- Der steuerfreie Betrieb von kleinen Photovoltaikanlagen gilt bereits ab 2022.
- Der Abschreibungssatz für vermietete Wohnimmobilien wird von 2 auf 3 % erhöht.
Auf Details kommen wir zurück, sobald das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt.

4. Im Jahressteuergesetz ist ebenfalls die vieldiskutierte Übergewinnsteuer geregelt: Überdurchschnittliche Gewinne (mehr als 20 % über dem Durchschnitt der Jahre 2018 bis 2021) von Unternehmen der Erdöl-, Erdgas-, Kohle- und Raffineriewirtschaft werden mit einem zusätzlichen Steuersatz von 33 % belegt.

5. Dort nachteilig reglementiert wird, dass sowohl die Energiepreispauschale als auch die Gas-/Wärmepreisbremse (sog. Dezemberhilfe, diese komplizierte Gaskostenerstattung, die niemand wirklich verständlich erklären kann, auch wir nicht) steuerpflichtig sein werden, allerdings nur für diejenigen, die auch weiterhin Soli bezahlen müssen.

6. Das Bundesfinanzministerium hat die neuen Verpflegungs- und Übernachtungspauschalen für Auslandsreisen, die ab 2023 gelten, veröffentlicht.

7. Das Bundesfinanzministerium hat die neue „Richtsatzsammlung 2021“ veröffentlicht, in der durchschnittliche betriebswirtschaftliche Kennzahlen für verschiedene Branchen, z.B. das Gastgewerbe, enthalten sind. Bei Betriebsprüfungen müssen diese Werte, deren Datenbasis völlig unklar ist und nicht veröffentlicht wird, oftmals als Vergleichsbasis herhalten. Same procedure as every year. Bemerkenswert ist, dass es erstmals ein wahrhaft extraordinäres „Begleitschreiben“ gibt, das eine Art Anleitung für die Finanzverwaltung darstellt und dessen Kernsatz lautet: „Vor diesem Hintergrund gilt es aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklung (zum Beispiel Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine), wie bisher auf einen sensiblen Umgang mit der Richtsatzsammlung gegenüber den Steuerpflichtigen zu achten.“ Wobei die Formulierungen „wie bisher“ und „sensibel“ alle Fachkundigen irritieren. Aber: vielleicht ist auch in diesem Fall tatsächlich jemand einfach nur mutig gewesen…

8. Und zu guter Letzt: der Bundesfinanzhof bekräftigt unsere eigene Auffassung, indem er die Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheids über Säumniszuschläge (soweit sie nach dem 1.1.2018 entstanden sind) am 1.12.2022 bestätigt hat. Die derzeitige Regelung im Gesetz (1 % je angefangenem Monat) ist auch seiner Meinung nach verfassungswidrig. Bemerkenswert: er hat die Aussetzung insgesamt bestätigt, weil es keine teilweise Verfassungswidrigkeit gäbe.


Bleibt uns noch, Ihnen und uns im Advent besinnliche Momente fernab aller Irritationen und allen Steuerrechts zu wünschen. Und: kommen Sie gut durch die Feiertage am Jahresende.


In Jahresendstimmung grüßen

Michael Eichhorn | Markus Ody | Dieter Morgner | Beatrix Fischer | Sandy Tischer

Sascha