No. 137 – Corona 50: Jubiläum mit entlastenden Neuigkeiten

Liebe Interessierte und Betroffene,

vermutlich hätten wir selbst am wenigsten damit gerechnet, dass wir es bis zur 50. Corona-Ausgabe schaffen würden. Die erste datierte vom 13.03.2020, ganze zwei Tage, nachdem die WHO die weltweite Pandemie ausgerufen hatte. Für diese sagenhafte Geschwindigkeit, die noch dazu gepaart ist mit einer Berti-Vogts-(„der Terrier“)ähnlichen Hartnäckigkeit dürfen wir uns sogar selbst einmal auf die Schultern klopfen.

Es gibt entlastende Neuigkeiten für alle, die noch auf Ihre Corona-Schluss-abrechnungen warten, aber auch für diejenigen, die solche Abrechnungen vorbereiten: Die generelle Abgabefrist für die Schlussabrechnungen wurde ein weiteres Mal bis zum 31.10.2023 verlängert. Obendrein wurde am vergangenen Wochenende amtlich veröffentlicht, dass die letzte Abgabefrist (für die ein Fristverlängerungsantrag bis zum 31.10.2023 erforderlich ist), bis zum 31.03.2024 verlängert wird. Das wird besonders auch diejenigen in unseren Reihen erleichtern, die gerade verreist sind.

Außerdem haben wir wie gewohnt einen bunten Strauß wichtiger aktueller steuerlicher Neuigkeiten aufzubieten (und damit meinen wir keinesfalls das wahrscheinlich nur für einen sehr überschaubaren Kreis von Fachleuten höchstinteressante BMF-Schreiben vom 30.06.2023 zur „Vieheinheiten-Obergrenze im Organkreis bei Anwendung der Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen“; schon der Titel dieser Verlautbarung hat uns, die wir wirklich Einiges gewöhnt sind, laut auflachen lassen):

1. Aktuell fragt die Hamburger Finanzbehörde die Daten von 56.000 deutschen Airbnb-Anbieter*innen ab und wird so hoffentlich eine ganze Reihe von bisher nicht besteuerten Angeboten finden. Es schlägt dem Fass den Boden aus, dass diese Leute einerseits die Mietpreise in den Ballungsgebieten immer weiter befeuern, andererseits aber auf ihre Erträge möglicherweise keine Steuern bezahlen.

2. Wer private Fremdwährungskonten führt, geht unter Umständen ein völlig unerkanntes steuerliches Risiko ein, weil es hier oft zu (steuererheblichen) Spekulationsgeschäften (Gewinnen und Verlusten) kommt. Die Banken sind nämlich nicht verpflichtet, insoweit relevante Daten in ihrer jährlichen Berichterstattung mit aufzuführen. Falls Sie Fremdwährungskonten besitzen, informieren Sie uns bitte rechtzeitig im Rahmen der Erstellung Ihrer Steuererklärung.

3. Eine wichtige Herzensangelegenheit ist uns der ermäßigte Steuersatz auf Speisen in der Gastronomie, der zum Jahresende wegzufallen droht. „Rettet die Wirtshäuser“ – diesem Aufruf im SPIEGEL-Leitartikel vom 03.08. von Serafin Reiber wollen wir uns sehr gerne anschließen. Es ist einfach nicht zu begreifen, warum eine überteuerte und eklige Autobahn-Rast-Bockwurst im Stehen verzehrt zu 7% Umsatzsteuer verkauft werden darf, ein Salat auf Porzellan im Sitzen 10 Meter weiter aber 19% Umsatzsteuer kosten soll. Das ist aus unserer Sicht Blödsinn. Wir können alle unseren Beitrag leisten, indem wir die Petition des Dehoga-Bundesverbandes mit unterzeichnen. Im Finanzausschuss jedenfalls hatten die sog. Ampel-Fraktionen jedenfalls noch im Juni einen entsprechenden Antrag der CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.

4. Rechtzeitig vor der nächsten „Weihnachtsfeier-Saison“ hat sich der Bundesfinanzhof zum x-ten Mal mit der steuerlichen Berücksichtigung von Betriebsveranstaltungen befasst: Vorsteuerabzug aus den Kosten (auch aus dem lohnsteuerfreien Teil von 110 € je Arbeitnehmer*in) gibt es nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn die 110 € nicht überschritten werden. Umsatzsteuerlich gilt also eine Freigrenze, kein Freibetrag wie bei Lohnsteuer/Sozialversicherung. Das Urteil enthält sehr beachtliche semantische Überlegungen zur Unterschiedlichkeit der Worte „soweit“ (Einkommensteuergesetz) und „sofern“ (Umsatzsteuergesetz). „Sofern“ ist übrigens eine Subjunktion, eine Unterform der Konjunktion. Wieder was gelernt.

5. Wenn wir von „Bürokratieabbau“ in den aktuellen Nachrichten hören (Bundesjustizminister Buschmann und Bundesfinanzminister Lindner machen sich ja gerade sehr dafür stark), hätten wir eine kurzen, simplen Vorschlag: die Angleichung dieses Unterschiedes (Punkt 4) würde eine sagenhafte Vereinfachung bewirken. Vermutlich spürbar mehr als die angekündigte Verkürzung der Aufbewahrungsfristen von 10 auf 7 Jahre. Wer „ersetzend scannt“ kann übrigens schon heute ganz auf die Aufbewahrung von papiernen Buchführungsunterlagen verzichten. Wir beraten Sie in diesem Zusammenhang sehr gerne!

6. Auch eine 1-Personen-GmbH schützt nicht mehr in allen Fällen vor der Sozialversicherungspflicht: so hat es das Bundessozialgericht in gleich drei Verfahren am 20.07.2023 entschieden. In zwei Fällen ging es um Pflegedienstleistungen im stationären Bereich, im dritten um eine beratende Tätigkeit. Entscheidend sind die jeweiligen konkreten tatsächlichen Umstände der Tätigkeit nach einer Gesamtabwägung.

7. Die Bundesregierung plant ein „Wachstumschancengesetz“. Darin soll u.a.

  • die GWG-Grenze auf 1.000 € angehoben,

  • die 5jährige Sammelpostenabschreibung für Wirtschaftsgüter bis 5.000 € erhöht (bisher 1.000 € max.),

  • eine Klimaschutz-Investitionsprämie (bis zu 30 Mio. €!) für bestimmte betriebliche Investitionen eingeführt,

  • die Sonderabschreibung für KMU mit max. 200 T€ Vorjahresgewinn von 20 auf 50 % angehoben,

  • die schon jetzt kaum verständliche „Thesaurierungsbesteuerung“ reformiert und jetzt auch im Vorauszahlungsverfahren berücksichtigt,

  • das Spendenverfahren digitalisiert (darüber freuen sich alle Vereine gewiss),

  • eine Freigrenze von 1.000 € p.a. für Vermietungseinkünfte eingeführt,

  • der Schwellenwert für die Abgabe vierteljährlicher Umsatzsteuer-Voranmeldungen auf 2.000 € verdoppelt,

  • die Voraussetzungen für die Bilanzierungspflicht erhöht (u.a. von 60 auf 80 T€ Gewinn)

werden. Die Regeln gelten fast ausnahmslos erst ab 2024. Das Gesetz ist also eher eine Wachstumsbremse…
Und welche Wachstumschance die Einführung einer Meldepflicht für inländische Steuergestaltungen bietet, lässt sich nicht auf den ersten Blick erkennen. Wir vermuten stark, dass die allein dazu dienen wird, die übrigen Wachstumschancen aus staatlicher Perspektive zu finanzieren. Hübsch versteckt in den Vorschriften §§ 138 i bis n AO finden sich da komplexe Regelungen, die bislang nur für grenzüberschreitende Gestaltungen galten. Allerdings gelten diese Regelungen nur bei Größenordnungen, die von vielen KMU nicht überschritten werden (über 50 Mio. € steuerbare Umsätze, mehr als 2 Mio. € Einkommen, aber auch mindestens 4 Mio. € Erbschaftsteuerwert, mindestens 5 Mio. € Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage).

8. Auch die Finanzverwaltung tut sich mit der elektronischen Übermittlung von Dokumenten im finanzgerichtlichen Verfahren schwer, sogar ganz ohne beSt, wie einem aktuellen Beschluss des Bundesfinanzhofs anekdotisch zu entnehmen ist. Für Finanzämter gelten dieselben Regeln zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten im Gerichtsverfahren wie für uns Steuerberater*innen. Und nicht alle scheinen das bereits zu beherrschen. Wie formuliert der BFH das so wunderbar: „Die Finanzverwaltung kann ihre Sorgfaltspflichten bei der elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht nicht selbst durch Verwaltungsanweisungen definieren. Außerdem kann sie an sich selbst keine geringeren Anforderungen stellen als an die anderen Beteiligten, die zur elektronischen Übermittlung an das Gericht verpflichtet sind.“

Für alle, die aus den Ferien wieder an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt sind, mag ein Zitat aus dem Buch der Bücher tröstlich sein: „Es gibt nichts Besseres, als dass ein Mensch fröhlich sei in seiner Arbeit; denn das ist sein Teil.“.


Sommerliche Grüße senden solchermaßen fröhlich

Michael Eichhorn | Markus Ody | Dieter Morgner | Beatrix Fischer | Sandy Tischer

Sascha