Vorläufigkeitsvermerk – wozu eigentlich?

Stempel Finanzverwaltung – Foto: EOM

Stempel Finanzverwaltung – Foto: EOM

JedeR kennt die umfangreichen Schlussbemerkungen in allen Einkommensteuerbescheiden: da ist immer von zahlreichen Verfahren die Rede, die gerade von einem obersten Bundesgericht wie dem Bundesfinanzhof anhängig, aber noch nicht abgeschlossen sind. Prominentestes Beispiel der jüngeren Vergangenheit war die sog. Pendlerpauschale. Da hatte der Bundesfinanzminister sofort erkannt, dass er von sich aus einen entsprechenden Vorläufigkeitsvermerk in die Einkommensteuerbescheide einarbeiten lassen sollte.

Sinn dieser Vermerke ist es, allen Betroffenen bei einem für den Bürger positiven Ausgang eines solchen Musterverfahrens (wie bei der besagten Pendlerpauschale) eine entsprechende Änderungsmöglichkeit einzuräumen. Sonst könnten – und müssten – alle betroffenen BürgerInnen gegen ihre Bescheide Einspruch einlegen und auf diese Verfahren hinweisen. Im Zweifel bedeutet der Vorläufigkeitsvermerk: bei gutem Ausgang profitieren Sie!

Aktueller Fall: Formulierung der Vorläufigkeitsvermerke selbst

In den letzten Monaten haben wir gegen sämtliche Steuerbescheide Einspruch eingelegt, weil wir für alle MandantInnen die Chance auf den positiven Ausgang eines Musterverfahrens, das sich mit der Formulierung dieser Vorläufigkeitsvermerke selbst beschäftigt, wahren wollten. Bereits Ende 2007 hat nämlich das Niedersächsische Finanzgericht festgestellt, dass die Formulierung der Vorläufigkeitsvermerke für den Laien nicht ausreichend verständlich und deshalb insgesamt nichtig sei. Auch seien bestimmte Lösungsmöglichkeiten vom Umfang der Vorläufigkeitsvermerke nicht erfasst; somit böten die Formulierungen gar keinen ausreichenden Rechtsschutz für den Bürger. Unter Fachleuten wird dieses Problem gerne auch als "Vorläufigkeits-Falle" bezeichnet. Das betroffene Finanzamt hat natürlich gegen das Urteil Revision beim Bundesfinanzhof erhoben, über die bis heute noch nicht entschieden worden ist.

Schnell muss man sein …

Unmittelbar seit Bekanntwerden dieser Entscheidung in der Fachliteratur im August 2008 haben wir für sämtliche Kunden Einspruch gegen alle Steuerbescheide erhoben, die solche miss- und unvollständig formulierten Vorläufigkeitsvermerke enthielten. Normalerweise sollte die Finanzverwaltung in solchen Einspruchverfahren, die auf ein laufendes Verfahren vor dem Bundesfinanzhof verweisen, ein “Ruhen des Verfahrens” – die Fachleute sprechen von der sog. Zwangsruhe – einräumen, damit weder Verwaltung noch Bürger hier unnötig Zeit und Geld vertun müssen. Das jedenfalls war Sinn und Zweck dieser Regelung und hatte der Gesetzgeber auch im Sinn. Nicht so allerdings die sächsische Finanzverwaltung: einige Chemnitzer Finanzämter haben sich über diese Zwangsruhe hinweggesetzt und teilweise sogar Einspruchsentscheidungen verschickt, gegen die dann nur noch eine Klage beim Finanzgericht möglich ist.

Das tun wir für Sie

Was also tun? Wir haben Anfang Februar 2009 zwei Musterverfahren beim Sächsischen Finanzgericht eröffnet; in einem Eilverfahren (vor Einspruchsentscheidung) versuchen wir, diese Zwangsruhe auch gerichtlich durchzusetzen und das Finanzamt anweisen zu lassen. In einem regulären Verfahren (nach Einspruchsentscheidung) streiten wir uns um den Umfang der Vorläufigkeitsvermerke selbst und machen uns die Argumentation des Niedersächsischen Finanzgerichtes zu eigen.

Unser Erfolg

Inzwischen hat der Bundesfinanzminister durch den Erlass vom 1. April 2009 alle seine Schäflein angewiesen, die Vorläufigkeitsvermerke generell ausführlicher und umfassender zu formulieren. Damit haben wir mit unserem “organisierten Widerstand” schlussendlich erreicht, dass die Verweigerungshaltung insbesondere der sächsischen Finanzämter per ordre de mufti beendet wurde.

Unser Fazit

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass der Bürger seine rechtsstaatlichen Möglichkeiten oftmals ausschöpfen muss, um eine gute Rechtsposition zu erlangen. Aber: es lohnt sich!